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Vor dem Hintergrund einer um Reduktion bemühten Bildsprache definiert sich die künstlerische Position Anton Kehrers über drei Grundmerkmale:

Erstens versucht der Künstler sich einer gattungsmäßigen Zuordnung zu entziehen. Obwohl die Photographie und die Graphik seit mehr als zehn Jahren die zentralen Bildmedien Kehrers bedeuten, geht es ihm vorrangig um die Summe der jeweiligen malerischen, graphischen und photographischen Möglichkeiten. Kehrer ist somit weder Maler, Zeichner noch Photograph. Vielmehr agiert er mit dem entsprechenden Potential an spezifischen optischen Eigenschaften, ohne die technischen Merkmale tatsächlich nachzuvollziehen. Ähnlich verhält es sich bei seiner Konzentration auf das Bild an sich. Kehrer definiert zwar klare, großteils auch gerahmte Bild-Felder. Durch Zyklen, serielle Anordnungen und Kombinationen, Lehnungen sowie Legungen einzelner Bilder an Wand bzw. Boden bricht Kehrer jedoch auch hier jegliche Geschlossenheit auf und er-reicht insgesamt eine starke Raumbezogenheit seiner Projekte. So waren auch die beiden Ausstellungen des Künstlers in der Galerie im Stifterhaus in Linz (1993) bzw. der Galerie im Traklhaus in Salzburg (1997) explizit als Installationen konzipiert worden.

Bild und jeweilige Technik besitzen somit im bisherigen Werk funktionale Bedeutung. Die Arbeit an den jeweiligen Bruch- und Übergangsphänomenen koppelt medienreflexive Ansätze mit der Bemühung, die jeweiligen Bildmittel optimal für die intendierte künstlerische Erscheinungsform zu nützen. Diese hat – als zweites Grundmerkmal der künstlerischen Position – Licht zur unabdingbaren Voraussetzung. Kehrer photographiert unterschiedlichste Lichtquellen bzw. Lichtformen und überprüft die stofflich-visuellen Kontraste sowie die jeweiligen Formreduktionen auf ihre ästhetische Wirksamkeit. Im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit steht dabei weniger der Unterschied von Hell und Dunkel als die von künstlichem Licht hervorgebrachten bzw. intensivierten Farben. Diese werden in der einzelnen Arbeit unmittelbar wirksam.
1999 thematisierte die Ausstellung „FarbLicht“ (1) in einer internationalen Bestandsauf-nahme Kunstwerke, die sich durch die ungreifbare, immaterielle Form der Farberschei-nung definierten. Jenseits der herkömmlichen Gattungsbegriffe von Malerei, Relief und Skulptur ging es um Konzepte, die mit Hilfe von Elekrizität Farberscheinungen erzeugten, diese künstlerisch gestalteten und in eine Form brachten. Die in Würzburg und Heidenheim präsentierte Ausstellung zeigte eine Art „Phänomenologie“ des künstlichen Lichts, die von der Kunst aktiviert und in ganz unterschiedlichen neuen und un-erwarteten Kontexten aktualisiert wurde.
Wohl nicht zufällig hat Anton Kehrer in den letzten Jahren neben der Reaktion auf künstliche Lichtsituationen seines realen Umfeldes eben auch derartige künstlerische Ver-wendungsweisen - etwa von James Turell oder von Angela Bulloch - photographiert. Mit weiteren Arbeiten zu Werken von Keith Sonnier und Dan Flavin gab es auch direkte Überschneidungen zur Ausstellung „FarbLicht“.

Kehrer reagiert auf Farbe als frei im Raum schwebender abstrakter Form. Er reflektiert die immaterielle Präsenz des Farblichts und macht beides zum konstituiven Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit. Durch seine Photographien kann er die immaterielle Form der Farberscheinung wiederum materialisieren. Dadurch ist es ihm gelungen, die in der Ausstellung „FarbLicht“ skizzierten Verbindungen zwischen Lichtkunst und Malerei noch enger zu knüpfen und die getroffene Differenzierung von Lichtemmission (Lichtkunst) und Lichtreflexion (Malerei) im Medium der Photographie aufzuheben.

Aus einer künstlerischen Entwicklung, die sich auch im Bereich der – nach wie vor verfolgten – Graphitarbeiten zunehmend auf die Visualisierung von Lichterscheinungen konzentrierte, definiert Kehrer mit dieser Vorstellung von Kunst als „Gestaltung mit Licht“ und seiner intensiven Auseinandersetzung mit der Photographie für sich ein Diskursfeld, das seit László Moholy-Nagy in den zwanziger Jahren vor allem von ameri-kanischen Künstlern wie Robert Irwin, James Turell, Maria Nordmann, Dan Flavin und Keith Sonnier wichtige Impulse empfangen hat.
Daß Anton S. Kehrer in den letzten Jahren immer stärker auch auf andere Künstler reagierte und deren Arbeiten als externe Referenzbeziehung in seinen eigenen Werk-prozess integrierte, definiert schließlich – als reduziertere Präsenz von Autorschaft - das dritte Grundmerkmal seiner Position.
In der österreichischen Gegenwartskunst ist Kehrer damit einer der jüngsten Vertreter einer Entwicklung, die seit den späten achtziger Jahren – im Sinne der Untersuchungen von H. D. Buchloh (2) – die Fragmentierung von Produktionsprozessen immer weiter zuspitzte und zugleich die Reflexion auf die konstituierenden Faktoren dieses Prozesses intensivierte. Dadurch wird auch die Analyse der Wahrnehmungsbeziehun-gen, die das Kunstwerk mit den Beobachtungen des Künstlers verbinden, in den Entwurf und die Ausführung der Photo- und Graphitarbeiten selbst einbezogen.

Martin Hochleitner / Leiter der Landesgalerie, OÖ Landesmuseum

 

1 FarbLicht. Kunst unter Strom. Katalog der Städtischen Galerie Würzburg und des Kunstmuseums Heidenheim.
(Ostfildern-Ruit, 1999).
2 Benjamin H. D. Buchloh: Michael Asher und der Abschluss der modernen Skulptur.
Zitiert nach: Charles Harrison und Paul Wood (Hrsg.): Kunsttheorie im 20. Jahrhundert. (Ostfildern-Ruit, 1998), S.1096.