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Ist die Kamera nach dem Einlegen der Filmrolle auf siebenunddreißig Bilder eingestellt, dokumentiert der erste Schuss meist den Ausgangpunkt für alle weiteren Arbeiten am Film. Für jedes der vom in Linz lebenden und arbeitenden Künstler Anton S. Kehrer aufgenommenen Lichtobjekte existiert mindestens eine Rolle, Mischfilme gibt es keine. Die Blattkopie dient als zentraler Referenzpunkte in seinen wirkungsvollen Arbeiten, da erst durch die Transportlöcher des Filmstreifens, durch seine Nummerierung und Codierung am Rand nachvollziehbar wird, um welches Medium es sich handelt: analoge Fotografie – an ihre Grenzen geführt und darüber hinaus.

Im Gegensatz zu ihrer herkömmlichen Verwendung, dient Anton S. Kehrer die Blattkopie aber nicht nur als Mittel zum Zweck, um einzelne seiner seriellen Lichtbilder mit dem ebenfalls seriell zu verstehenden Titel „lightflow“ für die Ausarbeitung hinter Glas auszuwählen. Er nutzt sie als gestische Verweis auf die Grundlage seiner medienreflexiven Arbeiten. Denn ohne Blattkopie, die der Künstler den installativen Anordnungen seiner großformatigen Farbflächen im Ausstellungsraum stets beistellt, könnte es sich auf den ersten Blick auch um Serigrafien handelt, oder um digital erzeugte Bild- und Farbwelten aus dem Computer, nicht zuletzt sogar um Malerei.

Bei „lightflow_move“ (2007) etwa wird Anton S. Kehrers intermedialer Zugang zur Fotografie offensichtlich: als Ausgangspunkt für die zweiteilige Installation, die durch ihre körnigen Farbbalken unmittelbar an Mark Rothkos „Colour Field Paintings“ erinnert, diente dem Künstler eine in stechendem Magenta leuchtende Reklame des T-Mobile-Shops am Berliner Kurfürstendamm. Ganz banal und profan. Kehrer arbeitet zwar mit dem Fotoapparat, aber selbst der Prozess des Fotografierens ist in seinem Fall eher malerisch als fotografisch motiviert. Zum Teil nähert er sich den Objekten bis auf nur wenige Zentimeter oder legt das Objektiv seines Arbeitsinstruments gar direkt an die Lichtquelle an. Nicht zuletzt durch das Unvermögen des Apparats, scharf zu stellen, entwickeln sich monochrome Farbflächen, Übergänge und Verläufe, künstliche Horizonte und räumlich anmutende Lichtkegel. „lightflow_move“ (2007) ist der Versuch, den fotografischen Prozess durch das Bewegen der Kamera während des Auslösens noch ein Stück weiter in Richtung Malerei verschwinden zu lassen. Kehrers Reflexion auf jene aus der Kunstgeschichte bekannten Formkategorien wie Farbe, Fläche und Licht sowie auf die der Malerei stets immanente Bewegung durch den Pinselstrich, erfährt aber immer wieder einen Bruch.

Es scheint, als wolle der Künstler die von Clement Greenberg so vehement geführten Debatten um Medienspezifik und Purismus gar nicht erst aufgreifen. Im Gegenteil, die schichtweise Überlagerung der Medien Fotografie und Malerei und die immer wiederkehrenden Referenzen auf Alltags- und Popkultur verbietet ihm dies sogar. „Es ist für mich völlig obsolet mit denselben Mitteln dieselben Wege zu beschreiten, die die modernistische Malerei geht,“ sagt der Künstler in einem Gespräch: „Ich schätze viele dieser Positionen und sie dienen mir als formales Referenzsystem – rein von der Bildwirkung können die Abstrakten Expressionisten mit meinen Arbeiten jederzeit verknüpft werden, jedoch nicht vom Inhalt. Das ist auch der entscheidende Unterschied.“

Der Bruch mit der Kunstgeschichte, die sich Kehrer in seinen Werken kontinuierlich seit Beginn der 1990er Jahre aneignet, ergibt sich zum einem aus der Auswahl der fotografierten Objekte und zum anderen aus der Gleichschaltung ihrer Kontexte. Als Vorlage für die dreiteilige Installation„lightflow_space“ (2003) etwa diente ihm eine grün-violette Lichtinstallation von Keith Sonnier, die er in einem Kunstraum in Liechtenstein fotografiert hat, als Vorlage für „lightflow_monochromes (black & blue)“ (2006) hingegen verwendete er ein beleuchtetes Hinweisschild, das Autofahrer zu einem Parkplatz auf der Croisette in Cannes führt. Ob es sich ursprünglich um Kunstwerke von Dan Flavin, James Turell oder Angela Bulloch handelt oder doch „nur“ um ein Tankstellendach, einen Kosmetiksalon oder die Tarantula-Bar am Wiener Gürtel – dies tut nichts zur Sache. Wieder: ganz banal, ja profan. Denn es geht um das Nivellieren von Inhalten und die Demokratisierung der menschlichen Wahrnehmungsbedingungen von Licht und Farbe.

Für seine aktuellsten Werkserien mit dem Titel „lightflow_coloured glass“ (2008-laufend) arbeitet Anton S. Kehrer in seinem Atelier. Wie auf einer Palette mischt der Künstler färbige Glasmusterplatten auf einem Leuchttisch, er arrangiert sie immer wieder neu, er legt sie übereinander und erzielt damit serielle Farbmischungen, er stellt die Monochromie der Komplementärfarben einander gegenüber und führt mit dem Fotoapparat die Malerei an ihre Grenzen – und darüber hinaus.

Franz Thalmair